Die Projektleiter und Mitarbeiter der zweiten Förderphase von links oben nach rechts unten: Christoph Cluse, Benjamin Rampp, Martin Endreß, Thomas Rüfner, Lukas Clemens, Sebastian Weiß, Anne Diblik, Rita Voltmer, Tania Günther, Lars Grimm, Annika Funke, Julian Lechner (es fehlt: Lisa Dünchem).

Grundgedanke und Ausgangspunkt der zweiten Förderphase

Die Forschungsgruppe knüpft in der zweiten Förderphase (01.10.2019–30.09.2022) an die Erkenntnisse und Erträge der Arbeiten in der ersten Förderphase an, kontinuiert diese mit Blick auf die erarbeiteten Konzepte, die sich als analytisch fruchtbar erwiesen haben, entwickelt diese weiter und ergänzt zugleich ihren theoretischen wie empirischen Fokus.

Im Mittelpunkt der Forschung werden in der zweiten Förderphase insbesondere die Analyse des Zusammenhangs von Phänomenen der Kontinuität und der Diskontinuität in sozio-historischen Prozessen sowie die Bedeutung disruptiver Phänomene stehen.

Zudem erweitert die Forschungsgruppe in der zweiten Förderphase ihr zeitliches Untersuchungsinteresse auf das 15.–17. Jahrhundert. Diese Erweiterung des Fokus entspricht und dient dem mit der Erprobung des Resilienzkonzeptes für die historischen und Sozialwissenschaften verbundenen übergeordneten Forschungsinteresse der Forschungsgruppe, etablierte Vorstellungen von Epocheneinteilungen und -grenzen sowie geläufige Konstrukte wie dasjenige der „spätmittelalterlichen Krisenzeiten“ und generell diejenigen der „Krise“ oder des „Wandel“ zu überprüfen und hinsichtlich ihres analytischen Potentials kritisch zu hinterfragen.

 

Schwerpunktsetzung der zweiten Förderphase

Die Arbeit der Forschungsgruppe wird sich in der zweiten Förderphase noch stärker, als dies bereits in der ersten Phase der Fall war (zum Forschungsprogramm der ersten Förderphase), auf projektübergreifende thematische Schwerpunkte in der Analyse der von ihr untersuchten Resilienzprozesse konzentrieren:

 

  1. Inhaltlich werden die Projektarbeiten auf die Untersuchung der beteiligten Akteursgruppen fokussieren. In den Blick genommen werden Akteure und Akteurskonstellationen auf unterschiedlichen Analyseebenen, die im Sinne der Figur der Panarchy (siehe unten) und dem Interesse der Forschungsgruppe für Mehrebenendynamiken verschiedene Wechselwirkungen aufweisen, die es zu untersuchen gilt.
  2. Liegt ein Schwerpunkt der Projekte auf den zur Anwendung kommenden Herrschafts- und Repräsentationspraktiken und -typiken, etwa durch Gemeinden, Vernetzungen oder Eliten. Hier werden insbesondere Resilienzstrategien und deren (Neben-)Folgen untersucht, die stets an die strukturierenden Resilienzdispositionen und aktivierten Resilienzressourcen zurückgebunden werden.
  3. Liegt ein weiterer Schwerpunkt auf dem Themenfeld Recht, Justiz und Sicherheit. Damit nehmen die Projekte die Frage des unmittelbaren Umgangs mit disruptiven Herausforderungen auf und knüpfen an die Verwendung des Resilienzkonzepts mitunter in den Politikwissenschaften an, ergänzen diese Perspektive jedoch einerseits durch ein weiter gefasstes Verständnis von Herausforderungen und andererseits durch die Analyse der die jeweiligen sozio-historischen Resilienzprozesse rahmenden sozio-kulturellen und sozio-ökonomischen Kontexte.

Verknüpft werden diese Schwerpunktsetzungen einerseits durch einen Fokus auf die Trägergruppen der Resilienzprozesse, womit die strukturtheoretische Engführung der genutzten resilienzanalytischen Modelle aufgefangen und überwunden werden soll, sowie durch die Konzentration auf Deutungsmuster im Sinne von Konstruktionen erster Ordnung dieser Trägergruppen, womit die sozialkonstruktive Grundperspektive der Forschungsgruppe berücksichtigt wird.

Den Schwerpunktsetzungen wird Rechnung getragen, indem der Fokus der in der zweiten Förderphase fortgesetzten Projekte weiter geschärft (Projekte 1, 2, 5) und die Zusammensetzung der Forschungsgruppe durch die Aufnahme zweier neuer Projekte (Projekte 3, 4) weiter spezifiziert und ergänzt wird (zu den Projekten der zweiten Förderphase).

 

Projektübergreifende Fragen der zweiten Förderphase

Im Rahmen der zweiten Förderphase wird sich die Forschungsgruppe folgenden Fragen, Herausforderungen und Aufgaben widmen:

 

  • Die Forschungsgruppe wird sich noch stärker auf den Zusammenhang von Phänomenen der Kontinuität und Diskontinuität – oder in anderen Worten: von Stabilität und Wandel bzw. von Routine und Krise – als zentrale Fragestellung konzentrieren. Diesen Zusammenhang versteht die Forschungsgruppe nicht als paradoxen Gegensatz, sondern will stattdessen dezidiert untersuchen, wie sozio-historische Kontinuitäten gerade von Diskontinuitäten abhängen und vice versa Diskontinuitäten sich durch Kontinuitäten ergeben können.
  • Die Projekte werden in der zweiten Förderphase exemplarisch auf jeweils ein für den entsprechenden empirischen Fall zentrales disruptives Phänomen – bzw. in sozialkonstruktiver Optik: auf eine entsprechende Identifizierung – fokussieren und so einen noch stärkeren Vergleich zwischen den Projekten herstellen. Auch in der zweiten Förderphase wird ein doppelter sozialkonstruktiver, auf die Frage der Perspektivität abstellender Ansatz verfolgt: (1) mit Blick auf die Konstruktionsprozesse und Wahrnehmungen erster Ordnung durch die empirisch untersuchten sozio-historischen Akteure und (2) hinsichtlich der Konstruktionsprozesse zweiter Ordnung.
  • Die Forschungsgruppe wird einen noch stärkeren Fokus auf die mit dem Resilienzkonzept ermöglichte Vermittlung zwischen handlungs- und strukturtheoretischen Perspektiven im Zuge der analytischen Verknüpfung von Resilienzstrategien, -dispositionen und -ressourcen legen.
  • Quelle:
    Raford 2010 (http://noahraford.com/?p=648);
    Holling 1987: 145; Gunderson/Holling 2002: 34

    Um den Zusammenhang von Phänomenen der Kontinuität und Diskontinuitätzu untersuchen, wird die Forschungsgruppe den analytischen Nutzen sowie die Weiterentwicklung und Anpassung der resilienzanalytischen Modelle des Adaptive Cycle und der Panarchy (siehe rechts) für ihre Zwecke weiter überprüfen.

  • Von besonderem Interesse für die Forschungsgruppe ist dabei die Frage nach Regimewechseln von sozialen Einheiten im Rahmen von Transformationsdynamiken. In diesem Zusammenhang wird sich die Forschungsgruppe insbesondere auch mit der Adäquanz der „Zyklus“-Metapher der resilienzanalytischen Modelle in systematischer Absicht auseinandersetzen.
  • Um einen detaillierteren Blick auf den konkreten (typologischen) Zusammenhang von Resilienzstrategien, Resilienzdispositionen und Resilienzressourcen zu ermöglichen, wird die Forschungsgruppe eine explizitere Differenzierung von internen und externen Faktoren der Vulnerabilität vornehmen – wobei diese Differenzierung im Sinne der antiessentialistischen Perspektive der Forschungsgruppe stets als Ergebnis von Prozessen der Wahrnehmung und sozialen Konstruktion zu verstehen ist.
  • Analog zur stärkeren Fokussierung von jeweils zentralen disruptiven Phänomenen wird die Forschungsgruppe auch Umschlags- und Beschleunigungspunkte dezidierter in den Blick nehmen, um komparative (typologische) Analysen des Verlaufs von Resilienzprozessen und ihrer Modi zu ermöglichen. Damit soll die in der ersten Förderphase identifizierte Schwierigkeit der Differenzierung von Prozessen der Anpassung (verstanden als Veränderung innerhalb bereits bekannter Trajektorien) und solchen der Transformation (verstanden als Veränderung, die neue Entwicklungspfade eröffnet) adressiert werden.