Präsentation Projekt 5 – 2020-11-30

In der (per Videoschaltung stattfindenden) Arbeitssitzung vom 30. November 2020 präsentierte Simon Tretter das Teilprojekt 5 „Rechtsrezeption und Resilienz. Laiengerichtsbarkeit in Deutschland im 15. und 16. Jahrhundert“. Gegenstand der Untersuchung ist das Schöffengericht in Ingelheim, das sich neben seiner Funktion als Obergericht für den Ingelheimer Grund seit dem 14. Jahrhundert auch als Rechtsauskunftsstelle in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit etablierte. Der sogenannte Oberhof setzte sich aus nicht akademisch ausgebildeten, im lokalen Recht geschulten, sachverständigen Laien zusammen. Gerichte sowie Privatpersonen aus der weiteren Umgebung erfragten dort Rechtsbelehrung. So konnte der Ingelheimer Oberhof seinen Einfluss über Territoriums- und Herrschaftsgrenzen hinweg auf über 60 im heutigen Rheinhessen, im Hunsrück und am Mittelrhein gelegene Orte ausdehnen; die rechtshistorische Forschung spricht von der Herausbildung einer Rechtslandschaft.
Aus der geopolitschen Lage in Reichsgut und daraus resultierender Reichsunmittelbarkeit zogen die Oberhofschöffen das Bewusstsein, ein kaiserliches Gericht zu sein. Doch diese Argumentation stand wegen der 1375 erfolgten Verpfändung des Ingelheimer Grunds an die Pfalzgrafen bei Rhein auf unsicheren Füßen: Die kurpfälzischen Pfandherren versuchten zunehmend, die wie ein Riegel zwischen den linksrheinischen kurmainzischen Besitzungen liegende Pfandschaft des Ingelheimer Grunds dauerhaft in ihren Besitz zu überführen und griffen u. A. vermehrt in die Kompetenzen des sich als reichsunmittelbar verstehenden Oberhofs ein. Dieser wurde dadurch in seinem Selbstverständnis und seiner Existenz bedroht. Er versuchte, sich gegen den quasi-landesherrlichen Zugriff zu verwahren – auch durch die Entfaltung eines reichen Repräsentationsprogrammes in Wort und Bild mit Zurschaustellung von Symbolen der Reichszugehörigkeit bzw. -unmittelbarkeit.
Inwiefern diese Positionierung durch Repräsentation als Resilienzressource und Teilaspekt der Resilienzstrategie des Ingelheimer Oberhofs gegenüber den kurpfälzischen Territorialisierungs- und Vereinnahmungsbestrebungen gelten kann, wurde anhand von Bild- und Schriftquellen erläutert und diskutiert.

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